Für die Initiatoren einer Veranstaltung ist
es ein gutes Gefühl, wenn der Andrang des Publikums so groß
ist, daß die vorhandenen Sitzgelegenheiten nicht ausreichen.
Das war am Abend des 7. November 1996 im Orchesterstudio der Hamburger
Hochschule für Musik und Theater der Fall. Das Experiment
war also voll gelungen! Gemeint ist das erste Begegnungskonzert,
auf das in DIG INFORMATIV 7/96 mehrfach hingewiesen wurde.
Die Bezeichnung "Begegnungskonzert"
wurde gewählt, weil an diesem Tage eine mehrfache Begegnung
stattfand. Einmal zwische der DIG Hamburg und der Hochschule für
Musik und Theater als gemeinsame Veranstalter. Auf diese Besonderheit
wies die Vorsitzende der DIG Hamburg, Frau Waltraud Rubien, in
ihrer Begrüßung hin, in der sie besonders dem Präsidenten
der Hochschule, Prof. Dr. Hermann Rauhe, für seine tatkräftige
Unterstützung des Vorhabens dankte. Dieser wiederum fand
eindrucksvolle Worte der Erläuterung der zweiten "Begegnung",
nämlich der von Klezmermusik und Jazz, dem eigentlichen musikalischen
Inhalt des Abends. Der erste Teil, die Klezmermusik - Prof. Rauhe
nannte sie in persönlicher Verbundenheit "die Sprache
der Seele" - wurde dargeboten von "Harry's Freilach",
einer Berliner Gruppe unter der Leitung des Klarinettisten
Harry Timmermann.
Er vor allem verstand es, mit seinem Spiel deutlich zu machen,
was die ursprünglich aus dem ostjüdischen Schtetl stammende,
später nach Amerika gebrachte und von dort auch nach Israel
(und Deutschland) "heimgekehrte" Musik wirklich ist:
überwiegend fröhliche und tänzerische Melodiefolgen,
die aber auch melancholisch-feierliche Gehalte haben, sich dann
zu dramatisch-expressiven Formen wandeln können, immer aber
in Harmonie und Rhathmus osteuropäische und orientalische
Einflüsse erkennen lassen.
Harry Timmermanns brillierende Klarinette, die dann
aber auch immer wieder zu zarter Empfindsamkeit fand, wies den
Weg durch das Programm, in dem vor allem Horas und chassidische
Tänze wechselten.
Ihm assistierte Alexandr Danko,
der das Bajan (ein russisches Knopfakkordeon) spielte. Er beeindruckte
durch seine absolute Perfektion und Virtuosität der Darbietung.
Schier unglaublich war die melodiöse zarte Innigkeit seiner
Soli, die das Publikum faszinierten.
Dritte im "Klezmer-Bunde" war
Cordula Severit
die vornehmlich mit der Darabukka (einer vorderorientalischen
Vasentrommel) für den rhythmischen Hintergrund sorgte.
Am Ende des ersten Teils zeigten die Zuhörerinnen
und Zuhörer ihre begeisterte Anerkennung durch intensiven
Beifall. (...)
Dann wurde in
der zweiten Hälfte des Konzertabends Harry's Freilach ergänzt
durch eine Gruppe Studierender der Hochschule, die Herb Geller
führte und die das Programm mit Jazz-Bestandteilen anreicherte.
Dabei war die Musik des berühmten Jazz-Idols der 50er und
60er Jahre, war das Spiel des Sopransaxophons ein musikalischer
Hochgenuß. Dieser wurde verfeinert durch die Leistungen
der jungen Studenten, vor allem des Saxophonisten und des Posaunisten.
Nicht nur, wie sie extemporierten, auch das Eingehen auf und das
gleitende Zusammenfügen mit Harry's Freilachs Spiel zeigten
einen Grad musikalischen Könnens, der das Publikum anhaltend
begeisterte. Der instrumentale Dialog zwischen beiden Seiten erzeugte
mit seiner melodischen Linienführung und dem rhythmischen
Tempo eine gehörige innere Spannung, die sich sowohl in klangvollen
Kontrasten wie ebenso in überzeugender Impulsivität
manifestierten und von Altmeister Herb Geller mit inspirierenden
"Aufladungen" angereichert wurden. Die Zuhörerinnen
und Zuhörer belohnten die Künstler am Ende nicht nur
durch überaus herzlich gemeinten, ausdauernden Beifall, sie
gingen auch auf die jungen Musiker zu, diskutierten mit ihnen
und bewiesen so, daß das erst "Begegnungkonzert"
ein großer Erfolg geworden ist, dem hoffentlich weitere
folgen können.
Bleibt noch nachzutragen eine Begegnung "der
dritten Art": Harry Timmermann erwarb vor einiger Zeit in
Berlin eine alte Klarinette und zahlte Einiges drauf, weil ihm
gesagt wurde, sie habe vorher Herb Geller gehört, und auch
Benny Goodman habe sie zeitweilig benutzt. Timmermann und besonders
Geller staunten nicht schlecht, als sich die Richtigkeit dieser
Angabe herausstellte: Geller bestätigte nach dem Konzert,
daß Timmermann die herrlichen
Klezmermelodien genau aus der Klarinette herausholte, seiner ersten
überhaupt, die er bekommen hatte, als er zwölf Jahre
alt war. Also noch eine zusätzliche, schöne Pointe dieses
Begegnungskonzertes!