Garzau (rs) Zur zweiten Veranstaltung des Jahrganges 1997 in der Reihe "Musik in Dorfkirchen" hatte das Fremdenverkehrsamt am Sonntag in das Garzauer Gotteshaus eingeladen. Klezmermusik mit der 1992 gegründeten Berliner Gruppe "Harry's Freilach" stand auf dem Programm.
Klarinettist Harry Timmermann, Gründer und Leiter der Gruppe, Jazzpinistin Eva-Maria Badelt am elektronischen Klavier und Cordula Severit mit der Darabukka, einer vorderorientalischen Vasentrommel, begeisterten das zahlreich erschienene Publikum mit Klezmermusik vom feinsten. Diese im Ostjudentum entstandene, von osteuropäischen und orientalischen Harmonien und Rhythmen beeinflußte und von dem berühmten jüdischen Klarinettisten Giora Feidman wiederbelebte Stilrichtung zeichnet sich durch eine große Vielfalt der Melodien und besondere Intensität aus: freudige und tänzerische, melancholisch-versonnene oder tragisch-expressive, manchmal feierliche und manchmal wilde.
Das Wort Klezmer (wörtlich Instrument des Liedes) zielt nicht nur auf das Musikinstrument ab, mehr noch auf den Interpreten. Ein Klezmer war der Spieler jener religiös gestimmten, mit großer Leidenschaft vorgetragenen Jahrmarktsmusik im jüdischen Stettl des 19. Jahrhunderts, der mit seinem Instrument singen, weinen und schluchzen, tremolieren und lachen konnte und seine ganze Seele in die Musik einzubringen imstande war. Für Feidman ist es die Sprache der Seele, instrumenteller Gesang. Harry Timmermann, der das Programm erläuternd moderierte, demonstrierte - von seinen beiden Kolleginnen rhythmisch hervorragend assistiert - mit fröhlichen Liedern voller Lebensfreude und wunderschönen alten Tänzen, Stücken für Familienfeste (jiddischer Hochzeitstanz, Tanz der närrischen Väter) und Liebesliedern, daß Klezmermusik zwar auf der Basis der Frömmigkeitsbewegung des Ostjudentums des 18./19. Jahrhunderts entstand, aber keinesfalls nur traurig und getragen daherkommt.
Timmermann begeisterte durch die virtuose Beherrschung der Klarinette; mit Rhythmus und Leidenschaft entlockte er ihr einen hinreißenden Klangreichtum von kaum vernehmbaren leisen, anhaltend lang getragenen Tönen bis zu kurzen, scharf gestochenen, schrill aufwiegelnden Tönen in dichter Folge bis hin zur Ekstase, deren Klang die kleine Kirche bis hinauf in die Empore erfüllte.
Viele fanden beim Verlassen der Kirche gegenüber den Künstlern nur ein einziges Wort - phantastisch!