Harry's Freilach's Westfalen-Tournée vom 27. Februar bis 2. März 1998

Westfälischer Anzeiger Dienstag, 3. März 1998

Klezmer mit ansteckender Froehlichkeit
Harry's Freilach zwischen zelebrierter Philosophie und archaischen Rhythmen

Von K. BREITLAENDER. Drensteinfurt.
Froehlichkeit steckt an, und Harry's Froehlichkeit erst recht: Die Gruppe Harry's Freilach spielt Klezmermusik aus Leidenschaft - wie am Freitagabend in der voll besetzten "Alten Post" in Drensteinfurt. Geboten wurde in der Reihe "Folk live" Unterhaltungsmusik im besten Sinne: Froehlich, geistreich, manchmal tiefernst, meist witzig. In Musik gegossene Heiterkeit, die nie ins Triviale abdriftete: Das Berliner Ensemble verspruehte eine Froehlichkeit, die vor keinem Zuhoerer haltmachte, und brachte bei aller musikalischen Turbulenz auch Zwischentoene zum Klingen.

Im Mittelpunkt stand Harry Timmermann. Wie eine Tanzpartnerin hielt er die Klarinette in den Armen, drehte mit ihr Pirouetten, zog sie an sich heran und fuehrte souveraen auch bei schnelleren Schritten. Ein perfektes Paar. Timmermann spielte auf seiner Klarinette wie auf einer Orgel: er zog alle Register. Das Instrument saeuselte und schnurrte, scherzte und schluchzte. Eine hypnotische Klangvielfalt, in deren Faengen die Zuhoerer begeistert verharrten.

Auf vorderorientalischen Percussionsinstrumenten trommelte Cordula Severit mit Handflaechen und Fingerspitzen scheinbar intuitiv einen betoerend archaischen Rhythmus, zu dem die Zuhoerer wippten, schnippten und im Takt klatschten. Nicht nur Timmermann bedauerte die angesichts der engen Stuhlreihen eingeschraenkte taenzerische Freiheit, ist doch die im Ostjudentum entstandene Musik vorwiegend eine Tanz- und Festmusik. Als Viruose am Kontrabass liess sich Robin Draganic von instrumentalen technischen Grenzen nicht aufhalten und vollfuehrte feurige Trommelwirbel auf seinem Streichinstrument. Voll uebermuetigem Spieleifer entlockte er dem Hohlkoerper Tonsalven, mal geschlagen, meist gezupft, seltener gestrichen. Leise und bedaechtig brachte Laurie Randolph in ihrem Solo den spanisch-nordafrikanischen Einfluss in der Klezmermusik zum Klingen. Ihr Spiel war tiefgruendiger, beschwoerender und eindringlicher als das der anderen. Melancholisch versonnen zupfte sie die Saiten, zelebrierte die Musik als Philosophie.


Harry's Freilach in Drensteinfurt 1998






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